Julian Bittner kann derzeit nur in der Halbzeitshow gegen den Ball treten. F: Björn Reinhardt

Wenn es um das Einsammeln von Geldern geht, ist der Fußballverband Sachsen-Anhalt auf flinken Füßen unterwegs. Hier die Gebühren für die Liga, da die Gebühren für den Pokal. Ein neuer Spielerpass verlangt ebenso nach einer Gebühr, sowie zwangsweise auch die Nutzung des Systems, in dem dieser Pass beantragt werden muss. Und sollte ein Verein eine Frist verpassen, ein Formular zu spät einreichen oder das Spielprotokoll zu spät bestätigen, folgt eine nur wenige Stunden später ausgestellte Verwaltungsstrafe. Hingegen gelten für die Gremien des FSA keine Fristen. Es lässt sich freilich nur darüber spekulieren, inwiefern diese beabsichtigt oder unbeabsichtigt nicht den Weg in die Ordnungen des Verbands gefunden haben. Und neben der ohnehin nicht gegebenen und oftmals diskutierten Transparenz bei Sportgerichtsurteilen mit unterschiedlichen Ausgängen bei scheinbar gleichen Vergehen folgt jüngst nun ein weiteres Problem: die Untätigkeit eben jener Sportgerichte.

Beim SV Dessau 05 führt jene Arbeitsverweigerung zu dem Kuriosum, dass Julian Bittner seit fünf Spielen nur der Platz auf der Tribüne bleibt. Und das, obwohl sich Bittner in einem Spiel der Verbandsligaelf keinerlei Verfehlungen erlaubt hat. Denn neben seiner Tätigkeit als Spieler unterstützt der Offensivakteur den Verein seit vielen Jahren im Nachwuchs. Aktuell assistiert der 27-Jährige in der U19. Und dort hatte das Malheur bereits Anfang September begonnen. Denn im Nachwuchsspiel zwischen der SG Dessau/Kochstedt und der SG Union Sandersdorf zeigte sich Bittner mit einer Entscheidung von Schiedsrichter Stefan Cordes nicht zufrieden. Vor einem Tor des Gegners wollte Julian Bittner ein Foulspiel erkannt haben und beschwerte sich darüber. Letztendlich führte ein Missverständnis dazu, dass sich Cordes persönlich angegriffen fühlte und Bittner folgerichtig des Platzes verwies.

So weit – so dumm. Denn mit seiner inzwischen angesammelten Erfahrung sollte der Übungsleiter Julian Bittner wissen, dass ein Schiedsrichter eher ganz ganz ganz selten seine eigene Entscheidung nach einer Trainerintervention zurücknimmt. Zudem darf er sich in seiner Vorbildfunktion nicht zu so einem Fehler hinreißen lassen. Dennoch ist es natürlich nachvollziehbar, dass man aus der Emotion heraus nicht immer die rationalsten Entscheidungen trifft. Nichtsdestotrotz setzten sich mit Cordes und Bittner nach dem Spiel beide Parteien zusammen und schafften ihre Differenzen aus der Welt. Jenes Gespräch erwähnte Schiri Stefan Cordes fairerweise auch in seinem Sonderbericht, sodass Bittner diesem kommentarlos zustimmen konnte, und hängte diesen fristgerecht – denn gegen Schiedsrichter können hier auch Verwaltungsstrafen verhängt werden – dem Spielprotokoll an.

Das Sportgerichtsverfahren wurde eröffnet und seither passierte nicht mehr viel. Genau genommen gar nichts. Und Bittner bleibt derzeit nicht anderes übrig, als Spiel für Spiel den Platz auf der Tribüne einzunehmen und abzuwarten. In Summe wartet Bittner nun bereits seit 11 Spielen. Drei Spiele verpasste er bisher in seiner Funktion als Co-Trainer, drei weitere in seiner Funktion als Spieler der Landesklassemannschaft und ganze fünf Spiele wurden es mit dem Spiel gegen Saxonia Tangermünde am Dienstag, welche Bittner bereits als Akteur der Verbandsligaelf verpasste. Denn wenn ein Platzverweis ausgesprochen wird, erhält der jeweilige Akteur automatisch eine sofortige vorläufige Sperre für jeglichen Spielbetrieb und darf bis zum Urteil des Sportgerichts weder als Trainer, noch als Spieler auftreten. Die vorläufige Sperre wird dem endgültigen Urteil immer mit angerechnet. Doch Bittner hat inzwischen eine Anzahl an Spielen angesammelt, für die er gemäß aktueller Rechts- und Verfahrensordnung sich schon hätte tätlich vergreifen müssen, um es im Urteil als angemessene Sperre zu begründen.

Die Untätigkeit des Sportgerichts ist für einen Verband, der sich selbst gerne als Dienstleister der Vereine betitelt, ein fatales Zeichen. Zum einen für Spieler, die sich darüber hinaus noch als Übungsleiter in ihrem Verein engagieren und zum anderen liegt hier auch ein Eingriff in den Wettbewerb vor. Und in diesem Wettbewerb wird jeder Akteur gebraucht. Denn die Mannschaften in der Verbandsliga absolvieren die zweite Saison in Folge ein Spieljahr mit einem 38er-Schlüssel. Also ein Mammutprogramm für den Amateurfußball, welches nur mit einem entsprechend breitem Kader bewerkstelligt werden kann. Denn auch Jahre nach dem coronabedingten Abstiegsverzicht in den Ligen des FSA, wurde es verpasst, die Staffelstärken zeitnah zu reduzieren.

Ein Antrag auf das Aussetzen der vorläufigen Sperre bis zum endgültigen Urteil verlief unterdessen im Sande. Hier gab es nur ein schriftliches Schulterzucken mangels Zuständigkeit. Und so wird Julian Bittner weiter warten müssen. Warten auf den Dienstleister der Vereine.